Von Wolfgang Lerch, Stadt-Historiker
Gegenwärtig bereitet man sich intensiv auf die Weltmeisterschaften im Biathlon und im Rennrodeln vor, die beide im Januar und im Februar 2023 in Oberhof ausgetragen werden. Es gilt nicht nur, das Wintersportland Thüringen sportlich zu vertreten. Nein, das ganze Land, die Region und die Stadt Oberhof wollen ein guter Gastgeber sein. Dabei hat man fast übersehen, dass sich in diesen Tagen ein ähnliches Wintersportereignis zum 90. Mal jährt, denn damals fanden ebenfalls zwei Weltmeisterschaften gleichzeitig in Oberhof statt.
Ski- und Bobwettkämpfe
Im Januar und Februar 1931 war es dem Thüringer Wintersportverband und dem Ort Oberhof gelungen, sowohl die Ski- als auch die Bob-WM auszutragen. Dies war umso bedeutender, da die Weltsportgemeinschaft Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg aus den sportlichen Wettbewerben ausgeschlossen hatte. Die doppelten Meisterschaften in Oberhof waren sozusagen der Prüfstein für erste Teilnahmen Deutschlands an olympischen Wettkämpfen. Diese Prüfungen wurden bestanden, und schon bald nahm Deutschland auch wieder an olympischen Wettkämpfen in den Wintersportdisziplinen teil.
Nicht nur für die Veranstalter der anstehenden Doppelweltmeisterschaft ist ein Blick in die Geschichte vielleicht interessant. Wie lief es damals, vor 90 Jahren, in Oberhof ab? Im Gegensatz zu heutigen Veranstaltungen, bei denen das sportliche Geschehen eher außerhalb des Orts zu erleben ist, fanden seinerzeit die wichtigsten Ereignisse im oder auch in unmittelbarer Nähe des Orts statt. Sportler und Gäste der Weltmeisterschaften wurden 1931 an den Zugängen zur Stadt durch große reisiggeschmückte Portale begrüßt. Reisig gibt es nach wie vor zur Genüge und etwas Thüringer Lokalkolorit im Erscheinungsbild könnte heute zum Alleinstellungsmerkmal werden.
Spektakel im Ort
In einem großen Festzug zogen die Teilnehmer der Weltmeisterschaften 1931 durch die Reisigtore in die Stadt.
Jede Nationalmannschaft hatte damals eigene Schlitten, mit welchen sie nach der Vereidigung vor dem heutigen Rathaus zu den Sportstätten auf der Harzwiese oder auch zum Wadeberg gefahren wurden. Dem Tross der Wintersportler vornweg fuhr der Oberhofer Wurstschlitten mit der örtlichen Blaskapelle. Sodass das Spektakel nicht nur zu sehen, sondern auch im ganzen Ort zu hören war.
Bereits damals war die Begeisterung der Oberhofer und der Menschen aus der gesamten Region für die Wettkämpfe groß. Schon Wochen vor der Veranstaltung wurden Festkarten, Anstecker sowie umfangreiche bebilderte Veranstaltungsprogramme verkauft. Mit den Erlösen wurde den Sportlern und Gästen manch interessante Überraschung finanziert. Natürlich kein Vergleich zur heutigen Vermarktung einer solchen Sportgroßveranstaltung.