
Von Wolfgang Lerch (Stadt-Historiker), Oberhof 21. Juli 2018:
Auch für Oberhof und den Thüringer Wintersport waren der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1918; die Inflationsjahre und die Weltwirtschaftskrise eine tiefgreifende Zäsur. Aber selbst in diesen schwierigen Zeiten versuchte Oberhof seinen Optimismus zu bewahren. Der Neustart war nicht immer einfach.
1929 wählten die Mitglieder des Oberhofer Kurvereins eine neue ehrenamtliche Kurverwaltung. In diesem Gremium arbeiteten der Arzt Dr. Alexander Lion, Hotelier Blum, Lehrer Korb, Kaufmann Schlüter, Malermeister Kiesewetter und Friseur Thews. Die ehrenamtliche Kurverwaltung bemühte sich gemeinsam mit dem Oberhofer Wintersportverein intensiv, große Sportveranstaltungen nach Oberhof zu holen.
Dies war besonders schwierig geworden, da Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg von den Internationalen Olympischen Spielen ausgeschlossen blieb. Seit 1922 führte man als Ersatz Deutsche Winterkampfspiele durch - ein sehr martialisches Wort für Wintersportwettbewerbe. Diese galten als eine Art von deutsch nationaler/deutschsprachiger (Winter-) Olympiade unter Führung des Deutschen Skiverbandes.

Ein großer Erfolg
Einen großen Erfolg verzeichnete Oberhof im Jahr 1931. Gleich zwei hochkarätige Wintersportereignisse konnten in Anerkennung der kontinuierlichen Wintersportarbeit in den Ort geholt werden: 24. bis 31. Januar 1931 die Bob- Weltmeisterschaften des Internationalen Bobverbandes; und 13. bis 16. Februar 1931 Skirennen des Internationalen Skiverbandes. Dies bedeutete nach schwierigen Jahren den Anschluss Oberhofs an seine einstmalige sportliche Entwicklung. Einen Prestigegewinn erhielt Oberhof durch das Protektorat des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg für diese beiden Veranstaltungen. Die Großschanze am Wadeberg erhielt deshalb den Namen Hindenburg-Schanze.
Oberhof bewarb sich anschließend für die Deutschen Winterkampfspiele 1934. Den Zuschlag erhielt aber Schierke/Braunlage. Oberhof wurde 1938 Ausrichter der NS-Winterkampfspiele. Sogar die Prüfungskommission des Deutschen Olympischen Komitees besuchte Oberhof in Vorbereitung der Winter-Olympiade 1936 von Garmisch-Partenkirchen. Von diesem hochkarätigen Sportgremium erhielt der Thüringer Skiverband, gemeinsam mit dem Oberhofer Wintersportverein 1932 wichtige Hinweise für die Ausrichtung künftiger Wintersportveranstaltungen.
Einer der Hinweise bezog sich auf das Fehlen einer geeigneten Veranstaltungshalle, eines Gesellschaftshauses, einer Wandelhalle. Derweil hatte sich bereits 1930 der Gemeinderat auf Empfehlung der Kurverwaltung mit dem Bau eines Kurhauses mit Wandelhalle befasst. Dies in weiser Voraussicht auf die beiden Weltmeisterschaften von 1931.
Aufgrund der finanziellen Lage der Gemeinde lehnte der Gemeinderat das Projekt ab. Der Gemeinderat hatte gerade die neue Wasserleitung für 300 000 RM und den Ausbau des Breitebornteiches zu einer Badeanstalt für 15 000 RM auf den Weg gebracht. Die Kurverwaltung hatte darauf geschlossen ihr Ehrenamt niedergelegt. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 wurde auch der Sport in den Dienst der Nazis gestellt. Die nationalen Wintersportwettkämpfe wurden jetzt als NS-Wettkampfspiele veranstaltet. Alle wintersportlichen Wettbewerbe endeten 1939 mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges.
In kurzer Zeit gebaut
1935 verkaufte die Gemeinde Oberhof den Schweizer Hof, später FDGB-Heim Stachanow. Die erzielten 100 000 Reichsmark standen für den Bau eines Gesellschaftshauses zur Verfügung. Als Standort wurde die gemeindeeigene Schulwiese ausgewählt. Für die Anlage eines Parks auf der Hollands-Wiese wurden noch einmal 12 000 Reichsmark ausgegeben. Für diese beiden Vorhaben wurden bereits ab 1935 in der Planungsphase die Namen Wandelhalle und Kurpark gebräuchlich. Dies, obwohl Oberhof kein Kurort war und auch keinen anderen Beinamen hatte. Diese Namen sind bei der Oberhofer Bevölkerung noch immer im Gebrauch. 1953 erhielt Oberhof ohne gesetzliche Grundlage von Walter Ulbricht den Titel Kurort der Werktätigen. Auch die Erhebung zur Stadt Oberhof 1985 war gesetzlich nicht vorgesehen, sondern eine rein politische Entscheidung.
Zahlreiche Architekten bewarben sich 1935 für das Projekt Wandelhalle. Ein Eisenacher Kurt Kranz erhielt den Zuschlag. Dann verzögerte sich der Bau durch das Fehlen einer Baugenehmigung aus Berlin. Da sich bereits Kriegsvorbereitungen abzeichneten, durften kein Stahl und kein Eisen zum Bau verwendet werden. Letztendlich wurde der Bau von dem Arnstädter Architektur- und Bauunternehmen Martin Schwarz errichtet. Dieser hatte schon in Zella-Mehlis das Ehrenmal auf dem Lerchenberg für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges gebaut.
Verblüffend ist die kurze Bauzeit von der Erteilung des Bauauftrages im Juli 1937, dem Richtfest im November 1937 bis zur Einweihung am 23. Juli 1938: Nur zwölf Monate, wobei die sechs Monate Oberhofer Winter zu berücksichtigen sind. Ein ursprünglich geplantes Schwimmbad im nicht realisierten Kellergeschoss und der Verzicht auf ein Lichtspieltheater machten diesen Bauablauf möglich. ln der kurzen Zeit wurden ohne schwere Technik 5000 bis 6000 Kubikmeter Erdreich bewegt, um die Bauebene auf das Niveau der „Alten Schule" zu heben und gleichzeitig einen See anzulegen.
Elegantes Gebäude
Es entstand ein elegantes langgestrecktes Saalgebäude mit einem würfelförmigen Mehrfunktionsgebäude. Drei große Flügeltüren öffneten den Saal zu einer großzügigen Terrasse. Diese war begrenzt durch eine Natursteinmauer, welche sich zu einer tiefergelegten Wasserfläche als eine Art von Kaimauer präsentierte. In das Gewässer hinein war zusätzlich eine aus rotem Porphyr gemauerte Seebrücke mit einer Insel mit Bänken und großen Pflanz kübeln gebaut worden. Diese Fläche war vorgesehen für das Kurorchester. Der künstliche See spendete im Sommer angenehme Frische und in den Wintermonaten wurde daraus eine Eisfläche.

Mit dieser Investition hatte Oberhof zu den vorhandenen ortsnahen Sportstätten am Wadeberg, neue Möglichkeiten für in Mode gekommene Wintersportdisziplinen geschaffen. Dazu zählten neben Eishockey und Eistanz, auch Eisstockschießen und Curling. Einwohner und Gäste nahmen zunächst begeistert die neuen Möglichkeiten an. Aber bereits ein Jahr nach der Eröffnung begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg.
Kopie des Original-Artikels im Freien Wort am 21.07.2018:
