Die Geschichte des Oberhofer Wintersports

Wie kam eigentlich der Wintersport nach Oberhof und was hat Dr. Curt Weidhaas damit zu tun?

Die Reise nach Norwegen – der Ursprung des Wintersports in Oberhof


Der Badearzt Dr. Weidhaas reist nach Norwegen und ins Riesengebirge

Dr. Weidhaas erfährt von den tiefgreifenden Sorgen der in Oberhof engagierten Investoren. Die sich auf wenige Sommermonate beschränkte Saison rechnet sich nicht. Mit kritischem Blick beobachtet er die Verdrossenheit und den sich ständig vollziehenden Inhaberwechsel bei den neugebauten Pensionen und Hotels, dies oftmals schon nach 2 bis 3 Jahren. Die überkommenen OBERHOFER KURANZEIGER aus der Zeit um 1900 dokumentieren deutlich diesen Trend. Schlussfolgernd erkennt er die Lösung: Eine Verlängerung der Saison ist notwendig! Deutlich muss man vermerken, dass es zu diesem Zeitpunkt in Mitteleuropa die Modeerscheinung Wintersport noch nicht gab!

Weidhaas las in diesen Jahren mit großem Interesse den Bestseller des Norwegers Fridtjof Nansen: AUF SCHNEESCHUHEN DURCH GRÖNLAND. Weidhaas entwickelt eine Vision und geht deshalb zunächst einmal auf Reisen. In Norwegen informiert er sich vor Ort über diese neue, ganz Europa faszinierende, Sportart. Dann reist er noch ins Riesengebirge. Hier wurde schon mehr als 50 Jahre lang ein anderes Sportgerät kommerziell höchst erfolgreich genutzt: DER HÖRNERSCHLITTEN. An den Wochenenden der Wintermonate fuhren regelmäßig Sonderzüge aus Berlin, Hamburg, Breslau aber auch aus Prag und Wien zur Hörnerschlittenfahrt ins Riesengebirge. In der Saison 1899/1900 gab es damals 3930 lizensierte touristische Hörnerschlitten mit festen Hörnerschlittenführern und dazu 6000 Sportschlitten.

Total überwältigt von diesen Erkenntnissen brachte Weidhaas einige dieser Exemplare mit nach Oberhof und führte sie später auch dem Herzogshause vor. Anschließend sucht er noch im Schwarzwald und dem Harz nach ersten Erfahrungswerten. Er verfolgt die neue entstehende Wintersportliteratur. Er kontaktiert andere Mediziner, Ökonomen, Pädagogen, erkundet mögliches Interesse bei Militär und Forst, erst dann beginnt er seine Ideen organisatorisch umzusetzen. Mit seinen Oberhofer Mitstreitern startet er einen „Versuchsballon“: Ein Wintersportverein für Oberhof ist das erste Ziel!

Der Oberhofer Wintersportverein vom 2. Februar 1904


Um 1900 entdeckten die Städter die frische Winterluft; Eisbahnen und Schlittenfahrten kommen in Mode. Der Ski mit seinen Möglichkeiten ergänzt als exklusivere Freizeitbeschäftigung die Palette der Winterbelustigungen.

 Dies alles in Gemeinschaften zu erleben, wird eine verbreitete Modeerscheinung. Auch in Thüringen schlossen sich in vielen Orten Wintersportbegeisterte in Vereinen zusammen. Dr. Weidhaas beobachtete diese Entwicklung. Er plante einen solchen Verein auch für Oberhof. Aber mit einem anderen Ziel! Seine Intention war eine notwendige Saisonverlängerung, besser gesagt eine 2. Saison! Der von ihm angedachte Wintersportverein sollte eine breite Palette an winterlichen Freizeitangeboten für seine Oberhofer Kurgäste bereitstellen. Den Oberhofern selbst stand anfangs eine eigene sportliche Betätigung weniger im Sinn!

 Weidhaas hatte auf seinen Reisen nach Norwegen u.a. genau ausgelotet, welche Wintersportarten und welche Wintersportgeräte passend zu den Oberhofer landschaftlichen Gegebenheiten in Frage kommen könnten.

 Der im Riesengebirge so erfolgreiche Hörnerschlitten wurde in Oberhof ein Flop, denn es fehlten die langen steilen Abfahrten. Auch der Ski mit all seinen Möglichkeiten war anfangs der Masse der Gäste aus den Städten schwer zu vermitteln. Besonders den weiblichen Gästen stand die damalige Mode im Wege. Frauen trugen damals lange Röcke und Hosen galten als anstößig. Wagte man sich dennoch auf die Bretter oder die Eiskufen, wetterte sogar die Presse über die „schamlose Tracht der Sportweiber“. In Oberhof war es die Zeit, in der „Kurdiener“ gemäß der amtlichen Festlegungen des Schultheißen darauf zu achten hatte, dass das Nachschleifen der Schleppen der Damen bei einem Spaziergangdurch den Ort, nicht die Luft mit Staub verwirbelte. Trotz dieser anfänglichen Probleme wollte man genügend geeignete Hänge und Pisten für den Skisport zur Verfügung stellen. Als gute Entscheidung bewährte sich der Einsatz von den bequemeren Rodelschlitten und Lenkrodeln.

Die in Oberhof reichlich vorhandenen Pferde wurden für Schlittentailing und Skijöring herangezogen und brachten mit diesem Zubrot einen lebhaften Zuspruch bei der ärmeren Oberhofer Bevölkerung, für diesen „neumodernen Kram“, der sich in ihrem Dorf in den Wintermonaten breit machte. Am 2. Februar 1904 wurde im Domänengasthof der Oberhofer Wintersportverein aus der Taufe gehoben. Für Dr. Weidhaas ein „Versuchsballon“, denn er wollte Größeres! Der Verein gab sich ein solides Statut: „Ordentliche Mitglieder können alle gebildeten Damen und Herren …….. werden.“ Bereits zur ersten Jahreshauptversammlung am 21.Oktober 1905 hatte der Verein, Dank des unermüdlichen Werbetätigkeit des Dr. Weidhaas, 235 Ordentliche Mitglieder. Es ist überliefert, dass selbst die Herren des Vorstandes sich gegenseitig, zwecks Schaffung von Vorbildwirkung auf die Ski zwangen! Aber auch bei diesen Herren stellte sich bald echte Lust und Freude an dem neuen Freizeitvergnügen ein!

Der Thüringer Wintersportverband vom 22. Januar 1905


Dr. Curt Weidhaas hatte vor, sein Oberhof zu dem führenden Wintersportort des Thüringer Waldes zu entwickeln. Er verabredete sich mit den verschiedensten Persönlichkeiten um sie für seine Ziele zu gewinnen: Baurat Max Ehrhard aus Apolda, später 1907 – 1919 Schatzmeister, Ehrenbürger von Oberhof, Oberstudiendirektor Dr. Völker aus Suhl, später Wiesbaden; Landrat und Geheimer Regierungsrat Dr. Hagen aus Schmalkalden, er galt als engagierter Förderer der sportlichen Jugendbewegung; u.v.a.

Weidhaas steckte sie mit seinem grenzenlosen Enthusiasmus und seinem persönlichen Vorbild, seinem planvollen Handeln bis ins letzte Detail an. Manchem Oberhofer erschienen seine Aktivitäten anfangs suspekt; die sich einstellenden Effekte, die steigenden Gästezahlen widerlegten aber letztendlich die Zweifler im Ort. Weidhaas ergriff die Initiative und verschickte als Oberhofer Wintersportverein Einladungen zu einem Skifest mit Vorführung verschiedenster Wintersportmöglichkeiten am 22. Januar 1905 in Oberhof. Dieses nicht zu verwechseln mit den ab 1906 regelmäßig in Oberhof stattfindenden Wintersportfesten mit Wettkampfcharakter! Diese Eile erschien Weidhaas wichtig, bevor sich ein anderer Ort an die Spitze der Entwicklung stellte! Das Interesse und die Teilnehmerzahl waren überwältigend. In der sich an das Fest anschließenden Zusammenkunft im Domänen-Gasthof, mit Sportfreunden aus ganz Thüringen, beschloss man zur Beförderung aller Disziplinen des Wintersports die Gründung eines THÜRINGER WINTERSPORTVERBANDES. Zum 1. Vorsitzenden wurde natürlich der Initiator Dr. Curt Weidhaas gewählt.

Bereits am 12. Juni 1905 wurden „Nägel mit Köpfen“ gemacht. Wiederum im Oberhofer Domänen-Gasthof wurde auf einer außerordentlichen Hauptversammlung eine Satzung angenommen. Besonders befördernd für die weitere Entwicklung war die Übernahme des Protektorats durch den Landesvater Herzog CARL-EDUARD von Sachsen-Coburg und Gotha. Schon bald, neben den notwendigen organisatorischen Aufgaben ging der Thüringer Wintersportverband daran, die ersten Sportanlagen zu bauen. Ein erster Sprunghügel am Brandweg / Tambacher Straße  und eine an der Oberen Schweizerhütte endende Rodelbahn wurden unter reger Anteilnahme auch der Oberhofer Einwohner geschaffen.
 Man muss an dieser Stelle die Zwischenbemerkung anbringen: Dies alles schaffte der 1. Vorsitzende Dr. Curt Weidhaas, obwohl er seiner Hauptaufgabe als Kur- und Badearzt nachging, parallel dazu sein Sanatorium Marienbad ausbaute und weiterhin in vielen Bereichen der Gemeinde Oberhof aktiv war.

Rückblickend muss man feststellen, dass Weidhaas damals vor 100 Jahren die Grundlagen für die noch immer lebendige Erfolgsgeschichte WINTERSPORT IM THÜRINGER WALD und natürlich auch Oberhofs gelegt hat. Oberhof verdankt ihm aber vor allem auch die seit mehr als 100 Jahren anerkannte Position eines führenden Höhenklimatischen Erholungsortes mit ganzjährigem Fremdenverkehr.

1. Thüringer Wintersportfest in Oberhof, 3.-5. Februar 1906


Die Gründung des Oberhofer Wintersportvereins 1904 war noch nichts Besonderes, auch in anderen Orten des Thüringer Waldes schlossen sich damals Wintersportbegeisterte in Vereinen zusammen. Aber bereits die Wahl Oberhofs als Gründungsort des Thüringischen Landesverbandes 1905 verschaffte Oberhof die notwendige Akzeptanz für die weitere Entwicklung und war ein bedeutender Schritt für Weidhaas bei der Verwirklichung seiner Visionen. Den endgültigen Erfolg bedeutete dann aber die Wahl Oberhofs zum ständigen Austragungsort der jährlichen Verbandsfeste, sprich Austragungsort der Thüringer Meisterschaften. Diese THÜRINGER WINTERSPORTFESTE sicherten Oberhof ein nicht zu unterschätzendes ALLEINSTELLUNGSMERKMAL!

Bis zum Beginn des 1.Weltkrieges 1914 fanden insgesamt 9 solcher Verbandsfeste in Oberhof statt. Leider trug Anfangs die Wahl Oberhofs als ständigem Veranstaltungsort eine Spaltung in die aufblühende Entwicklung des Wintersports im Thüringer Wald. Proteste und Austritte der Ilmenauer und Friedrichrodaer Delegierten war die Folge. Die leidenschaftlichen Argumentationen von Dr. Weidhaas für Oberhof wurden letztendlich durch die Realität bestätigt: Die Zuverlässigkeit des Winters in Oberhof auf dem Kamm des Thüringer Waldes erwies sich als die sicherste Grundlage für Abhaltung und Gelingen der Wintersportfeste. Dazu kam die günstige Verkehrslage und leistungsstarke und niveauvolle Kapazitäten bei Gastronomie und Beherbergung, weiterhin eine breite sich entwickelnde Palette an Dienstleistungen aller Art und bald schon der alles andere Überragende hohe Standart der Sportanlagen.

Nicht zuletzt auch das wohlwollende und fördernde Protektorat durch den Landesherren und seines nachgeordneten Verwaltungsapparats, beförderten von Anfang an die Entwicklung. Für die Entwicklung des Wintersports mit all seinen Disziplinen wirkten diese jährlichen Festtage bahnbrechend und brachten in ganz Europa ein positives Presseecho und dadurch immer mehr Wintergäste nach Oberhof. Dr. Curt Weidhaas konnte zufrieden sein, seine Strategie hatte zum Erfolg geführt.

Eine Pressestimme bestätigt, dass der ganze Ort Oberhof nun überzeugt war! „Unser erster und größter Eindruck ist der, daß Oberhof in Thüringen jetzt schon die Winterfrische der sächsisch-thüringischen Staaten ist. Dort oben herrscht schon in diesem Winter ein so großes Leben, wie es andere Winter-frischen … noch nicht im Entferntesten aufweisen können. Den zahlreichen verwöhnten Wintergästen wird der Aufenthalt in Oberhof dank der Rührigkeit … der Herren Hoteliers sehr bequem und angenehm gemacht.“ Das 1. Thüringer Wintersportfest 1906 zählte bereits 4000 Zuschauer. Zum 2.Verbandsfest im Jahre 1907 setzte die Eisenbahndirektion Erfurt bereits mehrere Sonderzüge ein.

Wintersport – Weltmeisterschaften in Oberhof (1931)


Oberhof und auch der Thüringer Wintersport, hatten nach dem 1.Weltkrieg und der nachfolgenden Weltwirtschaftskrise schwer zu leiden. Aber selbst in diesen schwierigen Zeiten verlor Oberhof nicht den Optimismus. Auf dem notwendig gewordenen Notgeld jener Jahre, mit der Unterschrift des Schultheiß Richard Langenhahn, nutzte man geschickt die Möglichkeiten für bessere Zeiten zu werben.

Immer standen der Wintersport und der neu hinzugekommene Golfsport im Mittelpunkt dieser Hoffnungen. Und Oberhof fand wieder den Anschluss an seine alte Entwicklung! Für 1931 gelang es Oberhof und dem Thüringer Wintersportverband erstmalig in Anerkenntnis dieser kontinuierlichen Arbeit gleich zwei Weltmeisterschaften nach Oberhof zu holen.

Dr. Curt Weidhaas hat diese Entwicklung nicht mehr erlebt, er war bereits 1925 verstorben. Man darf sich fragen, ob dieser Visionär bereits in den Anfangsjahren von einer solchen Entwicklung für sein Oberhof geträumt hatte? Noch verblüffender ist das Studium der Oberhofer Werbeprospekte für diese Weltmeisterschaften. Hier findet man die gesamten ersten zaghaften Bemühungen des Dr. Weidhaas für einen HÖHENKLIMATISCHEN ERHOLUNGSORT, ja sogar die Forderungen des Dr. Binswanger für ein Deutsches Sankt Moritz zu voller Realität gereift und wie man heute formulieren würde, marketinggerecht festgehalten.

Für uns Oberhofer könnte diese Erfolgsgeschichte, nunmehr schon 11o Jahre zurückliegend, durchaus ein Ansatz sein, für die Gegenwart neue Visionen zu entwickeln und diese dann aber auch mit Optimismus und Zielstrebigkeit anzugehen!